Und, hat Ihr Sohn das verstanden?
Ja, er hat es ziemlich auf den Punkt gebracht: Er meinte, es fühle sich wahrscheinlich nicht an wie Urlaub, eher vielleicht so, als wenn die Klassenarbeiten am Ende eines Halbjahres geschrieben seien. Er ginge dann weiter zur Schule, lerne, nur mache es mehr Spaß. Ein ziemlich guter Vergleich, finde ich.
Womit füllen Sie die gewonnene Zeit aus?
Auf den ersten Blick ist alles wie vorher. Für die Familie hat sich erst mal nichts geändert, an Arbeit und neuen Themen mangelt es auch nicht. Nur: Was ich früher – scheinbar – nebenbei gemacht habe, können jetzt erfüllende Tätigkeiten sein.
Wenn sich von heute auf morgen aber dann doch alles ändert, schwankt man nicht zwischen den beiden Extremen Weltreise und neues Business?
Mit der neuen Freiheit musste ich tatsächlich lernen umzugehen. Am Anfang gab es einen starken Impuls, mich sofort in ein neues Projekt stürzen zu wollen. Da half nur, gut in mich hineinzuhorchen, mich immer wieder zu fragen, warum ich diesen Schritt gegangen bin. Schließlich gab es ja Gründe dafür. Und alles, was ich gerade links und rechts neben der Agentur plane, sind ganz bestimmt nur Dinge, die mich in kein Tagesgeschäft mehr einbinden. Denn genau diesen operativen Alltag, den Businesstrott, die unumgänglichen Meetings und oft in verschiedenen Städten aufzuwachen – das wollte ich nicht mehr.
Gab es weitere Gründe für den Ausstieg?
Ja, zum Beispiel das Wissen, dass unternehmerisches Risiko auch Grenzen hat. Zum Zeitpunkt meines Ausstiegs hatten wir 1.300 Apartments. Verdopplung wäre das nächste unternehmerische Ziel gewesen. Ich hatte auch wenig Interesse, dass meine Anteile verwässern, was irgendwann notwendig gewesen wäre. In der Größenordnung hat es mir aber keinen Spaß mehr gemacht. Die operativen Themen können einen innerlich auffressen. Genau diese Fragen muss ich mir jetzt nicht mehr stellen. Das macht mich froh.
Welche Gefahren kann ein solcher Schritt bergen?
Eben genau den, dass die Folgen und das damit verbundene Gefühl weder absehbar noch planbar sind. Man ist von heute auf morgen in einer völlig anderen Lebenssituation – unabhängig. Aber eben auch ein wenig auf dem Abstellgleis. Und für Menschen, die großen Wert auf Selbstdarstellung legen, ist genau das schwierig. Wenn man nicht selbst ein wenig fürs Grundrauschen sorgt, ist man weg vom Fenster. Kurz: Man wird vielleicht schneller vergessen, als einem lieb ist, und man lernt schnell: Die Welt dreht sich auch ohne mich weiter. Aber mein Humor, meine positive Lebenseinstellung, mich selber nicht so wichtig zu nehmen, halfen ungemein, Lücken zu füllen.
Wie kompensieren Sie die Gefühle, die Erfolg und stetes Firmenwachstum mit sich brachten?
Manchmal vermisse ich die Bestätigung. Aber die Möglichkeit, mittags das Fahrrad zu nehmen, zwei Stunden durch den Stadtwald zu fahren, morgens vor der Arbeit im Grüngürtel zu joggen, ein Stopp im Lieblingscafé, das väterliche Grab zu besuchen, das Wochenende frei zu haben und viel mehr Zeit mit meiner Familie verbringen zu können – das ist total wertvoll.
Zeit ist also der neue Luxus?
Ganz ehrlich, ja. Vor sechs Monaten noch konnte ich solche Dinge nicht machen. Ich hatte zwar immer den Wunsch, solche Freiheiten als Routine ins Leben einzubauen, das hat aber nie geklappt. Jetzt habe ich mehr Entscheidungskraft und kann mich auch wieder dem Agenturalltag widmen, den ich über lange Zeit telefonisch geregelt habe, zum Leidwesen meiner Kollegen. Auf LinkedIn entdecke ich immer häufiger den Typ Mensch, der mehrere Firmen gleichzeitig zum Erfolg führen kann, privat alles bestens im Griff hat, der Sport trotzdem nicht zu kurz kommt, Freitag nicht arbeitet und dabei noch fantastisch aussieht. Das bin ich nicht und will ich nicht sein.
Eine Firma zu leiten, reicht eigentlich, merke ich gerade.